



LAVENDEL
Lavandula angustifolia MILL.
WESEN: Klärung, Reinigung, Transzendenz
Wesen und Signatur
Signatur
«Der Lavendel, eine mediterrane Bergpflanze, gehört zur Familie der Lippenblütler (Labiatae), aus der auch viele andere Duft- und Gewürzpflanzen stammen. Die weiten, blauvioletten Lavendelfelder in den Berggebieten der Provence besitzen eine magische Anziehungskraft. Hat sich hier ein Stück Himmel mit der Erde verbunden? In einem duftenden Lavendelfeld fühlen wir uns durchstrahlt von einer stillen, reinen Energie.
Der Blütenstand des Lavendels ist ganz aus der Sphäre der Blätter herausgehoben. Dicht aneinander gereiht umfassen die Blüten das Ende der aufrechten Zweige und entziehen – wenn viele Pflanzen zusammenstehen – die schmalen Blätter unserem Blickfeld. Dies führt dazu, dass kurz vor und zum Zeitpunkt der Blüte das Licht der Sonne nur noch abgeschwächt bis zur vegetativen Sphäre der Blätter hindurchdringen kann; die Pflanze ist ganz zur Blüte geworden und gibt sich der Luft des Himmels hin.
Wie sind nun die einzelnen Blütenquirle im Blütenstand angeordnet? Nachdem der Zweig die Blätter schon etwas überragt, beginnt sich der Blütenstand mit einem kleinen, den Stengel umfassenden Blütenquirl anzukündigen. Nach einem Abstand kommt ein zweiter Quirl, und nach einem weiteren, kürzeren Abstand tritt der volle Blütenstand in Erscheinung. Die Blütenwirkung kündigt sich stufenförmig an – in einer Art Blütenleiter mit sich verkürzenden Stufen. Haben Sie schon einmal Lavendelblüten aus der Apotheke genau betrachtet? Wer über botanische Grundkenntnisse verfügt, erkennt, dass es sich hierbei mehrheitlich um Blütenkelche handelt. Die ovalen Kelche haben die gleiche tiefe Farbe wie die Blüten, darum fällt die «Unstimmigkeit» nicht sofort auf. Es gehört zur Besonderheit des Lavendels, dass er kurz vor oder zu Beginn der Blütezeit geerntet wird und dass somit die Mehrheit der «Lavendelblüten» noch im Knospenstadium sind. Dies hat einen Grund: Entgegen der Regel, dass der Duft- und Wirkstoffgehalt von Blütendrogen zum Zeitpunkt der vollen Blüte am höchsten ist, finden wir bei der Lavendelblüte die grösste Heilkraft zu Beginn der Blüte. Der ovale Blütenkelch ist wie ein Gefäss. Die fünf Kelchblätter sind vollständig verwachsen, und vier der fünf Kelchblattzähne sind kaum mehr vorhanden. Der fünfte Kelchblattzahn ist jedoch erweitert und bildet eine herzförmige Lippe, die sich über die Öffnung des Kelchgefässes legt (mit Lupe erkennbar). Diese Lippe öffnet sich sofort, wenn die Blütenkrone aus dem Kelch hervordrängt. Eine wunderschöne Signatur: ein eiförmiger Kelch mit einem kleinen Deckelchen. In der Entwicklung des Lebens folgt auf das Keimen des Samens die Entfaltung und das Wachstum, dann die Blüte und die Fortpflanzung, später das Verblühen, die Fruchtreife und schliesslich das Verwelken und Absterben, um dann einem neuen Kreislauf Raum zu geben. Der Höhepunkt des natürlichen Lebens wird in der vollen Blüte gesehen. Aber erst wenn diese verblüht, kann sich daraus eine Frucht, ein Keim für neues Leben entwickeln. Der Lavendel hat seinen Höhepunkt nicht wie üblich zur Zeit der vollen Blüte, sondern etwas davor. Es scheint, als wolle der Lavendel noch auf eine andere Entwicklungsmöglichkeit als diejenige des natürlichen, biologischen Kreislaufs hinweisen. Eine seelische Höherentwicklung – soll sie zu echter Weisheit im Alter heranwachsen – muss zu einem Zeitpunkt beginnen, wo der Mensch noch über seine volle Vitalität verfügt. Transzendenz kommt auch in der Blütenfarbe Violett zum Ausdruck.»
Wesen
«Lavendel ist eine große »Seelenpflanze«, deren Bedeutung schon seit Jahrhunderten intuitiv verstanden wird. Dies bringt der botanische Name zum Ausdruck, der vom lateinischen lavare, waschen, stammt. Diese Reinigung ist aber nicht nur stofflich, sondern vor allem seelisch zu verstehen.
Lavendel wirkt klärend und beseelend. Er reinigt das Seelengefäß und bereitet Raum für subtilere und höhere Werte. Die Klärung bringt Ruhe und Nervenkraft. Dies erleichtert einerseits die Bejahung des persönlichen Schicksalswegs und fördert andererseits die Aufnahmebereitschaft für die Anforderungen der nächsten Stufe.
Lavendel hat die Kraft, den Menschen aufzurichten und die Seele zu öffnen. Er bringt seelische Klarheit, innere Ruhe und lenkt das Bewusstsein auf Lebensbereiche oder Beziehungen, die zu bereinigen sind, in denen Klarheit geschaffen werden soll. Menschen, die immer wieder seelische Krisen erleben, das heißt, in Kraft, Mut und Lebenswillen vorübergehend geschwächt werden, gibt Lavendel den Anstoß und die Möglichkeit, eine Hülle zu bilden. Die richtige Einschätzung seiner selbst und von anderen wird möglich. Lavendel hilft in Lebenskrisen und Übergangssituationen, als mütterliches Wesen nimmt er den Menschen liebevoll an die Hand und führt ihn über Hindernisse und durch Schwierigkeiten hindurch. Das Vertrauen in die umsichtige Führung ermöglicht es, in schwierigen Situationen zu bestehen und sich neuen Aufgaben und Herausforderungen zu öffnen.»
Botanik
Wer kennt ihn nicht, den Echten Lavendel, Lavandula angustifolia MILL.? Er gehört zur Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) und stammt eigentlich aus dem Mediterrangebiet. Heute ist Lavendel jedoch in weiten Teilen Europas verbreitet, weil er vielerorts angepflanzt wurde. Der Lavendel ist ein aromatisch riechender Halbstrauch, der bis 60 cm hoch werden kann. Er bildet eine tiefgehende und starke Pfahlwurzel, die 3 bis 4 Meter in den Boden vordringen kann. Seine aufsteigenden und aufrechten Stängel sind vierkantig, wie es typisch für einen Lippenblütler ist. Sie verholzen im unteren Bereich, sind stark verästelt und reich beblättert. Die Blätter sind linealisch geformt, ganzrandig und am Rande leicht nach unten umgerollt. Blatt und Stängel weisen nur einen schwachen Geruch auf. Der intensive und so bekannte Lavendelduft entstammt den oberen Bereichen der Pflanze, aus dem Blühhorizont. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Familie sind die blauvioletten Blüten des Lavendels nicht in den Blattachseln angelegt, sie stehen stattdessen in Scheinähren zusammen. Diese erheben sich weit aus dem Blattbereich der Pflanze, erscheinen regelrecht getrennt von diesem. Lediglich ein einzelnes Hochblattpaar steht direkt unterhalb des Blütenstandes. Die Blüten stehen in einzelnen Wirteln an den Scheinähren zusammen, auffallend ist, dass der unterste Wirtel immer weit abgesetzt steht. Die Blüten haben einen intensiven aromatischen Geruch und bitteren Geschmack. Ihre 10 bis 12 mm lange Blumenkrone entfaltet sich mit der tief zweilappigen Oberlippe und einer weniger stark eingeschnittenen dreilappigen Unterlippe aus dem Kelch. Die Vollblüte dauert beim Lavendel nur wenige Tage, bereits nach kurzer Zeit zeigen sich erste verblühte Blüten. Für Bienen stellt der Lavendel eine sehr gute Nährpflanze dar, er wird daher zur Blütezeit intensiv von ihnen besucht. Das Öl, welches in der Parfümerie intensiv eingesetzt wird, stammt im Übrigen nicht aus der Blüte, sondern aus den Drüsenhaaren des Kelches.
Verwendung
Die Lavendelblüten, Lavandulae Flos, wurden schon von Paracelsus als bewährtes nervenstärkendes Mittel genannt. Die Verwendung des reinen ätherischen Öls von Lavandula angustifolia MILL. ist in der Kosmetik und der therapeutischen Praxis gleichermassen weit verbreitet. Wenn wir an die beruhigende Duftwirkung der Lavendelkissen denken, verwundert es nicht, dass Ein- und Durchschlafstörungen zu den wichtigsten Indikationsgebieten gehören. Als mild wirkendes Sedativum helfen arzneiliche Zubereitungen des Lavendels, die Unruhe des Tages zu überwinden. Neben Schlafstörungen sind pflanzenheilkundlich funktionelle Oberbauchbeschwerden als weiteres Anwendungsgebiet bekannt. Insbesondere, wenn es sich um nervös bedingte Störungen handelt, wie zum Beispiel Reizmagen und Reizdarm. In Kombination mit anderen Heilpflanzen ist aufgrund der entblähenden Wirkung von Lavendel auch ein Einsatz bei Meteorismus möglich. Somit ist Lavendel von der Anwendung ähnlich wie die Melisse ein geeignetes Magen- und Nervenmittel.
Inhaltsstoffe
Die Aromapflanze, Lavandula angustifolia MILL., ist reich an ätherischem Öl. Die Hauptbestandteile des ätherischen Öls sind: Linalylacetat, Linalool, Cineol und Campher. Des Weiteren findet man Cumarine und die für diese Pflanzenfamilie typischen Lamiaceengerbstoffe.
Referenzen
- Wichtl M, Czygan F-C, Frohne D, et al. Teedrogen Und Phytopharmaka. 3rd ed. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland; 1997.
- Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Lavandula angustifolia Miller , aetheroleum and Lavandula angustifolia Miller , flos. EMA/HMPC/143183/2010. EMA/HMPC/143183/2010. Published online 2012.
- Madaus G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. Nachdruck. mediamed Verlag, Ravensburg; 1990.
- BGA/BfArM (Kommission E). Lavandulae flos ( Lavendelblüten ). Bundesanzeiger. 1984;228.
- Kalbermatten R, Kalbermatten H. Pflanzliche Urtinkturen. 9th ed. AT Verlag, Aarau, Schweiz; 2018.
- Kalbermatten R. Wesen Und Signatur Der Heilpflanzen. 9th ed. AT Verlag, Aarau, Schweiz; 2016.
Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil.