MISTEL

Viscum album L. 

WESEN: Stille, Schwerelosigkeit

Wesen und Signatur

Signatur

«Die Mistel ist ein immergrüner, strauchförmiger Halbparasit auf Bäumen. Die Äste verzweigen sich gabelig (dichotom), das heisst, an den Verzweigungspunkten entstehen immer gleich grosse neue Äste (meistens zwei). Diese Verzweigungsart führt zu der typischen kugelförmigen Gestalt der Mistel. Die Mistelkugeln werden im Durchmesser bis zu 1 m gross. Die jüngeren Äste sind grünbraun. Die ganzrandigen, zungenförmigen Laubblätter sind olivgrün und sitzen meistens zu zweien gegenständig, seltener quirlständig an den Triebspitzen oder an den jüngeren Verzweigungsstellen. Am Ende jedes Gabelglieds ist eine blütentragende Spitze, die im Herbst und Winter die erbsengrossen weissen Früchte tragen. Diese sind sehr schleim- und klebstoffhaltig. 

Wenn wir die Mistel mit der pflanzentypischen Gestalt vergleichen, fällt eine markante Abweichung auf. Die Mistel orientiert sich nicht an der Schwerkraft. Üblicherweise richtet eine Pflanze ihre Wurzeln nach unten, in die Erde und den Stengel nach oben, in die entgegengesetzte Richtung. Dies zeigt eine Wirkung der Erdenkraft auf die Pflanzen an. Für die Mistel gibt es im Wachstum kein Oben und Unten, sondern sie breitet sich vollkommen sphärisch aus. Sie kennt als Bezugspunkt nur ihren eigenen Mittelpunkt und kümmert sich nicht um die Schwerkraft. 

Auch das Licht der Sonne scheint nicht die sonst übliche Differenzierung an der Pflanzengestalt vorzunehmen. Die Mistel entwickelt keine Duft- oder Geschmacksstoffe, keine Farben, keine differenzierten Blüten, Früchte oder Blattformen, die auf eine Lichtwirkung schliessen lassen. Die Mistel hat die denkbar einfachsten Formen: gabelige Verzweigungen, ovale Blätter, kugelförmige Früchte. Dies lässt darauf schliessen, dass vor allem Luft- und Wasserkräfte an der Gestaltung gewirkt haben. Wasserkräfte bilden die Blätter, und Luftkräfte strukturieren die Pflanze durch Verzweigungen.»

Wesen

«Die Mistel ist dem Wasser- und Luftelement unterstellt und entzieht sich ganz dem Wirkungsbereich der Erde und des Feuers. Auf den Menschen übertragen entsprechen die Elemente Luft und Wasser den Gefühlen und der Lebensenergie. Druck- und Spannungsunterschiede in der Atmosphäre entstehen naturgesetzmäßig durch die Einwirkung von Wärme und Erdanziehungskraft. Da die Mistel von Wärme und Erdkräften nicht berührt wird, hält sie Druck und Spannung aus ihrem Wirkungskreis fern; Stress, angespannte Gefühle und ein hitziges Gemüt sind dem Wesen der Mistel fremd. Da in solchen Gefühlszuständen eine häufige Ursache von Bluthochdruck liegt, ist ein Bezug zwischen dem Wesen der Mistel und ihrer körperlichen, blutdrucksenkenden Wirkung offensichtlich. 

Viscum album vermittelt ein Gefühl der inneren Stille und Schwerelosigkeit. Patienten mit Angstzuständen, Albträumen und/oder zu starker Empfänglichkeit für Mondeinflüsse sprechen gut auf eine Behandlung mit der Urtinktur in geringer Dosierung an.»

Botanik

Eine ganz besondere Pflanze begegnet uns in der Mistel, Viscum album L. Vor allem zum Winter hin fällt Sie uns stark auf, da sie auch zu dieser Jahreszeit immer noch grün ist. Es handelt sich bei ihr um einen kugelig wachsenden Strauch, der Zeit seines Lebens niemals den Boden berührt: Die Mistel wächst auf Laubbäumen. Sie wächst sehr langsam, alte Pflanzen können nach vielen Jahrzehnten aber durchaus einen Durchmesser von 100 cm erreichen. Ihre Früchte, die von Vögeln verbreitet werden, sind klebrig und bleiben daher gerne an der Rinde von Bäumen kleben. Nach dem Austreiben des Samens durchstösst dieser mit einem Saugfortsatz die Rinde des Baumes und findet dort Anschluss an das Gefässsystem des Wirtes. Hierdurch entzieht die Mistel dann dem Wirtsbaum Wasser und Nährsalze, Photosynthese betreibt sie hingegen selbst. So an ihren Wirt «angedockt», kann die Mistel dann beginnen ihre kugelige Gestalt zu entwickeln. Die entstehenden Triebe der Pflanze verzweigen sich gabelig. Diese gabelige Verzweigung und das Wachsen bzw. «Anzapfen» eines Baumes stellen für die Pflanzen Mitteleuropas eine Besonderheit dar. An ihren kurzen Ästen stehen die dunkelgrünen, ledrigen, länglichen und ganzrandigen Laubblätter. Sie können bis 8 cm lang werden. Die Mistel ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Ihre unscheinbaren gelbgrünen Blüten erscheinen von Februar bis April, zu dieser Zeit sind die Blätter der Wirtsbäume meist noch nicht entwickelt. Als weitere Besonderheit stehen die Blüten der Misteln mittig, als Fortsetzung des Stängels und nicht in den Blattachseln wie bei den anderen Vertretern der Familie. Die Blütenbildung beendet das Wachstum für das Jahr, weshalb man das Alter der Misteln auch einfach bestimmen kann: Jedes Gabelstück entspricht einem Wachstumsjahr. Nach der Befruchtung bilden sich die weissen und längsgestreiften Früchte mit ihrem schleimig klebrigen Fruchtfleisch. Sie werden erst im November oder Dezember, teilweise sogar erst zu Beginn des folgenden Jahres reif.

Verwendung

Bei der Mistel, Viscum album L., handelt es sich um eine ganz besondere Kultur- und Heilpflanze, welcher magische und glücksbringende Eigenschaften zugeschrieben werden. In der Weihnachtszeit trifft man den Mistelzweig häufig in Türrahmen vieler Häuser an. Als Heilpflanze wurde die Mistel traditionell bei unterschiedlichen Herz-Kreislauf-Beschwerden, insbesondere bei hohem Blutdruck, Schwindelgefühlen und Herzrhythmusstörungen, eingesetzt. Die Römer stellten aus den Mistelbeeren den sogenannten Vogelleim her. Damit wurden Äste bestrichen, um angelockte Vögel zu fangen. Diese klebrige Eigenschaft kann man selbst wahrnehmen, wenn man Mistelbeeren zwischen den Fingern zerdrückt.

Inhaltsstoffe

Die Mistel, Viscum album L., ist bekannt für ihren Gehalt an zuckerbindenden Glykoproteine – den sogenannten Lectinen. Weitere Inhaltsstoffe sind: Triterpene, Polysaccharide, Flavonoide und biogene Amine.

Referenzen

  • Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
  • Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
  • Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Viscum album L ., herba. EMA/HMPC/246778/2009 (2012).
  • BGA/BfArM (Kommission D). Viscum album. Bundesanzeiger 217a, (1985).
  • BGA/BfArM (Kommission E). Visci albi herba (Mistelkraut). 1Bundesanzeiger 228, (1984).
  • Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2018).
  • Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).

Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil.

zurück zum Heilpflanzenlexikon