



PASSIONSBLUME
Passiflora incarnata L.
WESEN: Herzensruhe, zu sich selbst finden, der ureigene innere Ton
Wesen und Signatur
Signatur
«Die verschiedenen Passiflora-Arten sind ausdauernde Kletterpflanzen, die aus den warmen Zonen des amerikanischen Kontinents stammen und schon seit Jahrhunderten ihrer schönen Blüten wegen als Zierpflanzen bei uns angebaut werden. Die Blüten sind wunderschön, aber auch sehr vergänglich, sie blühen nur einen Tag. Das Besondere an den Blüten sind die vielen konzentrischen Kreise, die wir in ihrem Bild erkennen können. Wenn wir die Blüte von oben betrachten und an der Peripherie mit unserer Untersuchung beginnen, erkennen wir einen Strahlenkranz aus 10 Blütenblättern, deren Zipfel einen äussersten Kreis bilden. Schauen wir die Blüte nun von unten etwas genauer an, sehen wir, dass die 10 «Blütenblätter» aus 5 unterseits grünen Kelchblättern und den 5 dazwischen stehenden, unterseits farbigen Kronblättern bestehen. Die Pflanze hat durch diese farbliche Angleichung von Kelch und Krone auf der Oberseite eine Vereinheitlichung, eine Harmonisierung vorgenommen. Das wohl auffälligste Merkmal der Blüte ist die Nebenkrone innerhalb der schon erwähnten Kronblätter, bestehend aus unzähligen feinen Fäden. Diese Fäden sind in 4 Kreisen konzentrisch um die Blütenachse angeordnet. Der äusserste Kreis besteht aus sehr langen, auf den Blütenblättern liegenden Fäden, die wie feine Linien nach aussen strahlen. Sie sind abwechselnd dunkelpurpur, weiss und hellpurpur gefärbt, was mehrere konzentrische Farbringe ergibt. Nun folgen die inneren Fadenkreise, die aus sehr kurzen, borstigen Stummeln bestehen. Weiter innen liegt dann der Kreis der 5, unten zu einer Röhre verwachsenen Staubblätter und zuinnerst, im Mittelpunkt, sehen wir den Fruchtknoten mit den 3 markanten Griffeln. Insgesamt zählen wir in einer Blüte 10 konzentrische Kreise. Es ist offensichtlich, dass bei der Gestaltung dieser Blüte Kräfte am Werk waren, die einen wesenhaften Bezug zur Kreisform haben. Die intuitive Betrachtung des Wesens dieser Pflanze bestätigt diese Erkenntnis: Wir sehen eine unruhige Wasseroberfläche mit sich kräuselnden Wellen. Dann beginnen sich die ungeordneten Wellen zu legen, und es entstehen grosse, konzentrische Wellenringe, die sich auf ihren Mittelpunkt zu bewegen und kleiner werden. Diese Mitte ist unser Herz. In der Mitte lösen sich nach und nach alle Wellenringe auf. Zurück bleibt eine ruhige, spiegelglatte Wasserfläche. Das soeben geschilderte Bild der inneren Wahrnehmung ist genau das Gegenteil von dem Bild, das entsteht, wenn man in ein ruhiges Wasser an derselben Stelle mehrmals hintereinander einen Stein hineinwirft. Jeder Steinwurf verursacht einen neuen Wellenring, insgesamt sind es mehrere Ringe, die sich von der gemeinsamen Mitte zentrifugal ausbreiten und schliesslich die ganze Wasserfläche unruhig werden lassen. Die Passionsblume hat einen zentralen Bezug zum «psychischen» Herzen wie auch zum körperlichen Organ des schlagenden Herzens. Mit ihrem Wesen vermag sie die Unruhe des Herzens zu stillen. Ein wesenhaftes Heilmittel aus Passiflora wird vor allem bei Unruhezuständen infolge Herzensangelegenheiten, bei Angst, sorgenvollen Gedanken, Verlustängsten usw. angewandt.»
Wesen
«Die Passionsblume besitzt eine besondere Beziehung zum Herzen. Sie symbolisiert die Herzensruhe, das «Im-Einklang-mit-sich-selbst»-Sein. Passiflora schenkt Herzensruhe und unterstützt den Prozess des Abschiednehmens. Der Mensch schreitet von Lebenskreis zu Lebenskreis und durchlebt dabei Metamorphosen. Immer wieder muss er Abschied nehmen von etwas, das seinen Zweck erfüllt hat. So kann sich das Alte umwandeln in das Neue, Höhere. Kann er den Abschied bejahen, beflügelt ihn das. Festhalten und Auflehnung ziehen ihn herunter und werden zum Quell von Unruhe und Sorge.
Der Erwachsene lehnt sich häufig dagegen auf, Bekanntes, Liebgewordenes loszulassen. Das Kind hingegen reagiert unmittelbar, unbewusst, direkt körperlich auf Veränderung. Die Folge davon können Bewegungsunruhe, Hyperaktivität oder aber Teilnahmslosigkeit und Rückzug sein. Wer selten Momente findet, die innere Ruhe zu pflegen, oder gleichzeitig in verschiedene Richtungen gezogen wird, läuft Gefahr, sich zu verlieren. Das Wesen der Passiflora besitzt die Eigenschaft, Menschen aus der Peripherie des Lebens wieder zu sich selbst zurückfinden zu lassen. Sie verhilft dazu, den ureigensten inneren Ton wieder zu hören, wirkt lösend, ausgleichend und schenkt Ruhe. Der Mensch wird so in seiner Mitte gestärkt.»
Botanik
Passiflora incarnata L., die Passionsblume, gehört zur Familie der Passifloraceae (Passionsblumengewächsen). Diese sind, vor allem in den Tropen und Subtropen von Süd- und Mittelamerika verbreitet. Die meisten Arten sind frostempfindlich, Passiflora incarnata L.hingegen weist eine gewisse Frosthärte auf. Passiflora incarnata L. ist ein ausdauernder Kletterstrauch, der 5-10 m lange dünne, dabei aber überraschend feste, Stängel ausbildet. An diesen stehen die tief dreilappigen Blätter wechselständig. Zusätzlich werden lange, einfache Ranken ausgebildet, die im äussersten Teil korkenzieherartig eingerollt sind und mit denen sich die Pflanze nach oben «zieht». Bei warmer und sonniger Witterung kann die Pflanze einen starken kohlartigen Geruch verströmen.
Passiflora incarnata L. blüht in den Monaten Juni bis September mit ihren typischen, ausdruckstarken Blüten. Nimmt man sich die Zeit und lässt diese auffälligen Blüten auf sich wirken, so ziehen diese den Betrachter in ihren Bann. Sie scheinen aus einer Vielzahl konzentrischer Kreise zusammengesetzt zu sein. Zunächst auffallend sind die 10 strahlenförmig nach aussen gerichteten, von oben gleichförmig weiss aussehenden Blütenblätter. Dreht man die Blüten jedoch um, so erkennt man plötzlich, dass sich diese von oben einfarbigen Blütenblätter in 5 weisse Kron- und 5 grüne Kelchblätter unterteilen. Ihre Schauwirkung wird noch durch eine fadenförmige Nebenkrone verstärkt, diese ist violett-weiss gebändert. Bewegt man sich vom Rand auf das Zentrum der leicht duftenden Blüte zu, folgen als nächste Struktur die 5 Staubblätter, die weit ausladend an der Mittelsäule der Blüte stehen. Im Mittelpunkt dieses eindrucksvollen Gebildes steht schliesslich der Fruchtknoten mit seinen drei markanten Griffeln. Diese aussergewöhnlichen und wunderschönen Blüten sind sehr schnell vergänglich, jede von ihnen erstrahlt nur für etwa einen Tag in ihrem Glanz. Die Früchte der Passiflora incarnata L. sind leider nicht so schmackhaft wie die Früchte anderer Arten der Gattung, welche wir als Maracuja kennen.
Verwendung
Die Passionsblume, Passiflora incarnata L., stammt ursprünglich aus dem südlichen Nordamerika. Sie wird einzeln oder auch gemischt in Fertigarzneimitteln verwendet. Die Passionsblume ist bekannt für Ihre beruhigende, angstlösende Wirkung. Folglich können diese bei nervöser Schlaflosigkeit, Schlafstörungen, Unruhe- und Spannungszustände, Stress, Stimmungsschwankungen Krämpfen und Neurasthenie eingesetzt werden. Funktionelle und nervöse Herzbeschwerden, naturheilkundlich als Herzneurose bezeichnet, sind ein besonderer Anwendungsschwerpunkt der Passionsblume.
Inhaltsstoffe
Die Passionsblume, Passiflora incarnata L., enthält Flavonoidverbindungen (gemäss Ph. Eur. enthält Passionsblumenkraut mindestens 1.5 % Glykosylflavone berechnet als Vitexin) und cyanogenes Glykosid (Gynocardin). Neben Maltol zählen weitere Zuckerverbindungen zu den Bestandteilen. Ätherisches Öl ist bei der Passionsblume nur in Spuren vorhanden.
Referenzen
- Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
- BGA/BfArM (Kommission E). Passiflorae herba (Passionsblumenkraut). Bundesanzeiger 223, (1985).
- Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
- BGA/BfArM (Kommission D). Passiflora incarnata. Bundesanzeiger 190 a, (1985).
- Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Passiflora incarnata L ., herba. EMA/HMPC/669738/2013 (2014).
- Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
- Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).
Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil.