Wegwarte

Cichorium intybus L. 

WESEN: Die Kraft des Jetzt, Ja zur Gegenwart, Treue

Wesen und Signatur

 Signatur

«Die Wegwarte (Cichorium intybus L.) gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae oder Compositae). Arzneilich werden die Wurzeln verwendet. Auffallend sind die vielen himmelblauen Blüten, die aber nur einen einzigen Morgen lang blühen und in der Mittagshitze verwelken. Das Himmelblau der Blüten ist außergewöhnlich, die Seele berührend. Der Prozess des Verblühens vollzieht sich in so kurzer Zeit, dass man ihn, mit etwas Geduld, beobachten kann, was wohl nur bei wenigen Pflanzen möglich ist. Die großen grundständigen Blätter sind kräftig gelappt und im Rosettenstadium praktisch nicht von den Blättern des Löwenzahns unterscheidbar, doch die stängelständigen Blätter sind sehr klein, sodass sie beinah nicht in Erscheinung treten. Ohne Blüten, das heißt an heißen Nachmittagen im Sommer, erscheint uns die Pflanze als schmuckloser, kreuz und quer durcheinanderwachsender Stängelwirrwarr. Doch jeden neuen Morgen entfalten sich aus den Knospen, die zahlreich in den Knoten sitzen, wieder neue, wunderschöne Blüten, bis sie in der Mittagshitze wieder verwelken.»

Wesen

 «Der Mensch geht einen Weg mit vielen Gabelungen, 

Die himmelblauen Blüten der Wegwarte.

und an jeder Verzweigung muss er sich entscheiden. Geht er wirklich seinen Weg, bleibt er ihm treu, oder wird er durch fremde Einflüsse oder innere Zweifel irregeleitet? Ist er gefangen im Strom der Zeit? Hadert er mit Vergangenem, träumt er von Zukünftigem? Oder geht er mit der spielerischen Leichtigkeit des Augenblicks durchs Leben wie der Gaukler? An mittelalterlichen Höfen genoss der Gaukler Narrenfreiheit. 

Er hielt dem Regenten einen Spiegel vor, ohne moralisches Urteil, spielerisch, närrisch. Die Leichtigkeit des Jetzt enthält ein spielerisches, tief ernstes Moment und macht unangreifbar, weil sie in der Wahrheit steht. Die Wegwarte stellt den Menschen mit beiden Beinen in das Jetzt des Augenblicks, weckt aus Träumereien und verbindet mit dem Augenblick, dem Hier und Jetzt. Die Signatur des Jetzt, des Heute zeigt ihm seinen Standort. Nicht durch die Vergangenheit, nicht durch die Zukunft, sondern durch das strahlende Heute, den Moment, in dem ich lebe, bin ich verbunden mit meinem ursprünglichen Auftrag. 

Die Wegwarte öffnet mit ihrer himmelblauen Blüte jeden Tag von neuem ein Fenster, das den Menschen aus dem Zeitenstrom hinausführt in den Moment und damit in die Wirklichkeit des innersten eigenen Auftrags. Im bewussten Ergreifen des Augenblicks nimmt der Mensch wertfrei seinen momentanen Standort wahr. Er realisiert, dass er einem Plan gemäß geführt wird, dass seiner Existenz ein Gesetz zugrunde liegt. Dieses Gesetz heißt Treue sich selbst gegenüber, Treue zum eigenen Lebensplan, zum ursprünglichen Auftrag.»

Botanik

Die Wegwarte, Cichorium intybus L., ist eine zweijährige oder auch ausdauernde Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie wächst gerne an Weg- und Ackerrändern. Ihre Wurzel geht tief in den Boden hinein, die Pflanze gilt als sehr regenerativ. Aus ihrer grundständigen Rosette, deren Blätter einem Löwenzahn verblüffend ähneln, treibt sie später dann aber einen aufrechten und recht verzweigten Stängel aus. Nun ist sie nicht mehr mit dem Löwenzahn zu verwechseln! Der Stängel kann bis 1.50 m hoch werden und trägt, ab Juli bis in den September hinein, viele blassblaue, selten auch mal weisse Blütenköpfe. Die Blüten werden mit 3 bis 5 cm recht gross, sie sind aber nur sehr kurzlebig. Bei heissem Wetter sind diese etwa nur am Vormittag geöffnet und verblühen am Nachmittag bereits wieder. Verwelkte und abgefallene Blüten ersetzt die Pflanze munter immer wieder aufs Neue und so nehmen wir das Geschehen nur wahr, wenn wir genau hinsehen.

Verwendung

Die Wegwarte, Cichorium intybus L., blickt in der Geschichte auf eine lange Tradition als Medizinalpflanze, Kaffeeersatz und Futtermittel zurück. Schon der große Arzt der Antike Dioskurides schätzte diese Arzneipflanze als wertvolle Hilfe für den Magen und auch heilige Hildegard von Bingen umschreibt die Wegwarte als ein Mittel bei Heiserkeit und Verstopfung. Auch in der Homöopathie ist die Wegwarte zur Anwendung bei Verstopfung bekannt. Besonders hervorzuheben ist die Anwendung von Cichorium-Präparaten bei Magenverschleimung und einer trägen Verdauungstätigkeit bzw. Obstipation. Noch heute wird die Wegwarte traditionsgemäss bei Völlegefühl, Blähungen und Darmträgheit angewendet. Dies beruht unter anderem auf der schwach choleretischen und appetitanregenden Wirkung der bitteren Wegwartenwurzel.

Inhaltsstoffe

Die Wegwarte, Cichorium intybus L., ist bekannt als Bitterpflanze. Als Bitterstoffe enthält die Pflanze verschiedene Sesquiterpene. Die Cichoriensäure, ein Stoff der vor Allem auch in Echinacea Arten vorkommt, wurde erstmals in der namensgebenden Wegwarte gefunden. Die Wurzeldroge ist typischerweise auch reich an Kohlenhydraten (dazu gehören auch das Inulin und gewisse Schleimstoffe (Pentosane)), Proteinen und Mineralstoffen.

Referenzen

  • Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
  • BGA/BfArM (Kommission E). Cichorium intybus (Wegwarte). Bundesanzeiger 76, (1987).
  • Street, R. A., Sidana, J. & Prinsloo, G. Cichorium intybus: Traditional uses, Phytochemistry, Pharmacology, and Toxicology. Evidence-based Complement. Altern. Med. 1–13 (2013). doi:10.1155/2013/579319
  • Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Community herbal monograph on Cichorium intybus L., radix. EMA/HMPC/121816/2010 (2010).
  • BGA/BfArM (Kommission D). Cichorium intybus (Cichorium). Bundesanzeiger 109 a, (1987).
  • Riha, O. Hildegard von Bingen – Werke- Band V- Heilsame Schöpfung – Die natürliche Wirkkraft der Dinge – Physica. (Beuroner Kunstverlag (Abtei St. Hildegard, Rüdesheim/Eibingen), 2016).
  • Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
  • Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Psyche des Menschen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau und München, 2020).
  • Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).

Bilder: Roger Kalbermatten, Kesswil.

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