



Weissdorn
Valeriana officinalis L.
WESEN: Erdung, Ableitung, Mutter Erde
Wesen und Signatur
Signatur
«Der Schlüssel zum Verständnis des Weissdorns liegt in seiner Struktur verborgen, die am besten ohne das umhüllende Blattkleid untersucht werden kann. Beginnen wir deshalb unsere Betrachtung im Winter, wenn das Muster von Stamm und Geäst sichtbar ist. Ein einzelner Weissdornstrauch besitzt mehrere, ineinander verschlungene Stämme, die ein dicht gedrängtes, verworrenes und undurchdringliches Ast- und Zweigwerk tragen. Ein ausgewachsener Weissdorn wird freistehend mehrere Meter hoch. Seine Holzmenge würde jedoch für einen viel grösseren Strauch einer anderen Pflanzenart ausreichen. Während die Struktur der Äste und Zweige bei Bäumen und Sträuchern normalerweise ein freies Streben oder Fliessen zur Peripherie hin erkennen lässt, ist die Struktur des Weissdorns Ausdruck des Ringens entgegengesetzter Kräfte: der grossen Vitalität in den Wachstumsprozessen einerseits und des Zurückdrängens andererseits. Die Zweige streben naturgemäss immer nach aussen hin zum Licht, werden aber beim Weissdorn scheinbar wie von aussen zurückgedrängt, so dass immer wieder Umlenkungen im Verlauf eines Astes erkennbar sind, die ins Innere der Baumkrone gerichtet sind. Dies führt zu einer hohen Verdichtung der Verzweigungsstruktur. Gestaute Vitalität ist das Hauptmotiv der Weissdornstruktur. Die Stauung der Vitalität führt einerseits zu einer Verhärtung und Verdichtung der physischen Erscheinungsform und andererseits zu impulsiven Entladungen. Die Verdichtung äussert sich in der aussergewöhnlichen Härte des Weissdornholzes und in der Dichte des Geästs. Jede Stauung führt notwendigerweise zu einer impulsiven Entladung. Ausdruck davon sind unter anderem die Dornen. Dornen haben eine wichtige energetische Funktion; sie schaffen die Möglichkeit zur Entladung gestauter Vitalität. Spitze Formen haben sowohl in der belebten Natur als auch in der Technik die Eigenschaft, Energien ausstrahlen oder empfangen zu können. Dornen sind «Antennen» der Pflanzen, über die Lebenskräfte aufgenommen oder abgegeben werden. Ein anderer Ausdruck der Entladung ist das impulsive Aufblühen des Weissdorns. Im Frühsommer ist er jeweils dicht übersät mit Blüten, die, nach aussen gedrängt, fast die ganze Baumperipherie weiss umhüllen. Der Blütenduft ist unangenehm, faulig fischartig, was durch den hohen Amingehalt bedingt ist. Amine sind stickstoffhaltige, flüchtige Verbindungen. Stickstoff ist der Hauptbestandteil der Luft und der chemisch-materielle Ausdruck der emotionalen Ebene (zur besseren Einordnung dieser Feststellung: Kohlenstoff ist Ausdruck der materiellen, Sauerstoff der lebensenergetischen, Stickstoff der emotionalen und Wasserstoff der mentalen Ebene). Stickstoffhaltige Substanzen, die faulig riechen, weisen auf einen noch nicht zum Abschluss gekommenen Zersetzungsprozess hin.
Auf der emotionalen Ebene entspricht dies der impulsiven Entladung von angestauten Gefühlen. Es ist selbstredend, dass in einem solchen Fall die Gefühle nicht verarbeitet, nicht ausgegoren sein können. Es liegt im Wesen des Weissdorns, dass die im Innern wirkenden Kräfte nicht frei nach aussen fliessen können, sondern zuerst gestaut und dann explosiv entladen werden. Die Früchte haben eine blutrote Farbe. Es gibt in der Pflanzenwelt viele rote Früchte, aber die wenigsten haben eine dem Blut so ähnliche Farbe wie die des Weissdorns, was auf einen wesenhaften Bezug zum Blut schliessen lässt. Ausserdem weist die feine, netzartige Verzweigung der Blattnerven auf einen Bezug zum Gefässsystem. Durch seinen hauptsächlichsten Wesenszug der Anstauung von Lebenskräften wird der Weissdorn zum Prototypen einer Herzpflanze. Denn es ist das Wesen des Herzens, Blut anzustauen, um dadurch den rhythmischen Fluss des Blutes zu ermöglichen.»
Wesen
«Das Wesen des Weißdorns manifestiert sich im Spannungsfeld zwischen gestauter Kraft und impulsiver Entladung. Durch Stauung und Entstauung entsteht ein Rhythmus wie der Herzschlag. In Analogie dazu erfahren wir auf der seelischen Ebene Stauungen und neue Impulse. Der Weißdorn zeigt uns, dass viele Entwicklungen im Leben nicht geradlinig verlaufen; sie werden immer wieder behindert und nehmen einen anderen als den geplanten Weg. Die Entwicklung der Lebensumstände durchkreuzt die Lebenspläne. Es kommt zu Situationen, die keine kurzfristig ersichtlichen Resultate zeigen. Wenn wir die Stauung annehmen und uns der führenden Intelligenz überlassen, wird Wachstum an seelischer Qualität möglich. Die Verzögerungsmomente im Fluss des Lebens, die äußerlichen Stagnationen sind Voraussetzung für das Entstehen neuer Impulse, die unser Leben auf eine höhere Stufe führen. Streben wir einen ungehinderten, mechanischen Ablauf des Lebensweges an und versuchen wir die Umwege und Stauungsfaktoren zu umgehen, können sich die nicht gelebten Stauungskräfte somatisieren. Ein Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend kann die erste Stufe – noch im Grenzbereich zwischen Seele und Körper angesiedelt – auf dem Weg zu einer Herzkrankheit sein. Erst wenn wir den äußerlichen Stillstand nicht durch Willensanstrengung und forcierte Kurskorrekturen zu durchbrechen versuchen, können sich neue Impulse entwickeln. Wenn wir die Besinnung in der Stille, zu der uns der Stau führen will, annehmen und sogar suchen, entwickeln sich im Herzen Impulse, die uns zu einer höheren seelischen Qualität des Lebens führen. Dann öffnen wir uns für die weise Führung durch das Herz. Weißdorn vermittelt neue Lebensimpulse. Er lässt die Gefühle wieder fließen, schenkt Vertrauen und löst dadurch seelisch bedingte Beklemmungs- und Druckgefühle in der Herzgegend. Bei nachlassender Herzleistung ist Weißdorn ein bewährtes Langzeittherapeutikum.»
Botanik
Crataegus monogyna JACQ. und Crataegus laevigata (POIR.) DC, der Eingriffelige und der Zweigriffelige Weissdorn, sind sommergrüne bis 10 m hoch werdende Sträucher oder kleine Bäume. Sie gehören zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie bilden ein sehr festes Holz aus, ihr Sprosssystem ist in Lang- und Kurztriebe gegliedert, vor allem die Kurztriebe enden häufig in bis 10 mm langen Dornen. Diese Dornen stellen somit umgewandelte, gestaute Sprosse der Pflanze dar. Durch den Wuchs der Pflanze entsteht ein nahezu undurchdringliches, bedorntes Astwerk, welches unsere Vorfahren schon früh einsetzten, um ihre Wohnstätten mit einer schützenden Hecke zu umgeben. Die Blätter des Zweigriffeligen Weissdorns sind gelappt bis geteilt, die Blatteinschnitte sind beim Zweigriffeligen Weissdorn deutlich weniger tief als beim Eingriffeligen Weissdorn. Seine Blätter sind eher rautfenförmig und verkehrt eiförmig, dabei nur in der vorderen Hälfte drei- bis maximal fünflappig. Beide Arten blühen explosionsartig im Mai mit weissen Blüten auf. Die Blüten entwickeln dabei einen unangenehmen Duft, der vor allem Fliegen und Käfer anlockt. Die sich nach der Bestäubung entwickelnden roten Früchte sind eiförmig. Beim Eingriffeligen Weissdorn haben sie einen Durchmesser von 6-10 mm und haben einen Steinkern. Die Früchte des Zweigriffeligen Weissdorns sind mit 8-20 mm Durchmesser grösser, sie haben zwei bis drei Steinkerne. Diese werden auch «Mehlfässchen» genannt und in Notzeiten gegessen oder auch getrocknet dem Mehl zugesetzt.
Verwendung
Der Weissdorn gehört zu den bekanntesten und meist verwendeten Naturheilmitteln überhaupt. Je nach Zubereitungsart (Tee, Tinktur oder Extrakt) werden in der Homöopathie und Phytotherapie die Blätter, die Blüte oder die Früchte verwendet. In manchen Arzneizubereitungen werden auch Kombinationen der verschiedenen Teile dieser traditionellen Heilpflanze eingesetzt. Einer der Hauptgründe für die Beliebtheit des Weissdorns in der Naturheilkunde ist, dass er gegenüber anderen gängigen Arzneimitteln für das Herz-Kreislaufsystems sehr gut verträglich ist. Die Schwerpunkte der Anwendung liegt auf der unterstützenden und vorbeugenden Behandlung von Herzschwäche (sog. Altersherz), der symptomatischen Behandlung von temporären nervösen Herzbeschwerden, aber auch bei nervös bedingten Schlafstörungen und Störungen des Blutdrucks. Zubereitungen aus Weissdorn sind für die Vorbeugung und insbesondere auch für die Langzeiteinnahme gut geeignet. Zudem ist Weissdorn auch eine beliebte Begleitmedikation für funktionelle Herz-Kreislauferkrankungen und Rhythmusstörungen. Ein positiver Einfluss auf die Koronargefässe des Herzens und auch der peripheren Blutgefässe wird in der Literatur ebenfalls beschrieben.
Inhaltsstoffe
Die wichtigsten Inhaltsstoffe von Weißdorn sind Flavonoide, darunter charakteristische Flavone mit C-glykosidisch gebundenen Zuckern und oligomere Procyanidine, sowie phenolische Säuren.
Referenzen
- Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
- Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
- BGA/BfArM (Kommission D). Crataegus. Bundesanzeiger 109 a, (1987).
- Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). European Union herbal monograph on Crataegus spp . , folium cum flore. EMA/ HMPC/159075/2014 (2016).
- Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
- Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).
Bilder: Roger Kalbermatten, Kesswil