



Augentrost
Euphrasia officinalis
WESEN: Erdung, Ableitung, Mutter Erde
Wesen und Signatur
Signatur
«Der Augentrost (Euphrasia officinalis) ist sehr verbreitet auf Wiesen der montanen und alpinen Höhenstufen. Auffällig sind die schönen Blüten dieser kleinen Pflanze. Der Augentrost ist eins der Gewächse, die in der Literatur immer wieder als Beispiel für die – wie gesagt unserer Überzeugung nach triviale – Signaturenlehre angeführt wird, also die Vorstellung, dass eine Pflanze die Wirkung auf ein Organ durch eine auffällige Ähnlichkeit mit diesem Organ anzeigt. Der Augentrost könnte tatsächlich ein solches Beispiel sein, doch ein viel stärkeres Argument für seine bekannte Wirkung auf die Augen ist die Tatsache, dass er ein Halbschmarotzer ist.
Obwohl der Augentrost über grüne Blätter verfügt, die Licht assimilieren, kann er nicht alle Energie (stofflich und ätherisch), die er braucht, durch die Photosynthese selbst erzeugen. Die Pflanze ist somit in ihrer Vitalität stark reduziert, was sich unter anderem auch dadurch äussert, dass sie nach der Ernte sehr rasch abbaut und sich zersetzt. Die Tinktur ist intensiv dunkelbraun, sie erscheint beinah schwarz, was auf verstärkte Abbauprozesse hinweist. Dieser eingeschränkten Vitalität steht ein starker Bezug der Blüten zu Licht und Farbe als Gegenpol gegenüber. Wir finden im Augentrost eine Polarität zwischen betonter Lichtqualität und geschwächter Vitalität.»
Wesen
«Die Augen werden im Volksmund als Fenster der Seele bezeichnet. Tatsächlich könnte man das helle Leuchten einer Gruppe von Augentrost als Fenster zu einer anderen Welt, zum Innern der Erde bezeichnen. Der Augentrost gehört zu den Pflanzen, die ihre optische Wirkung vor allem in der Gruppierung, im Verbund vieler Einzelner erzielen. Von einer Gruppe Augentrost geht eine intensive Lebendigkeit, ein Leuchten aus. Das intensive Licht kann mit dem Feuer im Erdinnern, mit dem Herzen der Erde in Verbindung gebracht werden. Die Erde lebt, sie leuchtet und will wahrgenommen werden.
Oft bemerkt der Mensch nicht, wie weit er sich von seinem «Standort» entfernt hat, so sehr ist ihm das Weiterkommen vor Augen. Er pflegt seine Beziehung zur Natur, zum Planeten Erde nicht mehr bewusst, worunter bezeichnenderweise auch die Augen leiden. Die Sehkraft verschlechtert sich, es können Bindehautentzündungen entstehen, da die Augen auch am Bildschirm überanstrengt werden und Schaden nehmen. Augentrost wirkt erfolgreich bei Ermüdungserscheinungen der Augen oder Fremdkörpergefühl. Darüber hinaus besitzt er das Vermögen, eine neue, intensivere Sichtweise dem Leben gegenüber zu verleihen. Er öffnet die Augen für das hinter den Dingen liegende geistige Prinzip, für die Schönheit des Einfachen. Augentrost lenkt die Aufmerksamkeit auf das Naheliegende, das Leuchten vor unseren Füßen. Er vermittelt Frohsinn durch Einfachheit, durch die Kraft des Elementaren und verhilft zur Stärkung der inneren und äußeren Sehkraft.»
Botanik
Die beiden Augentrost Arten Euphrasia stricta und Euphrasia rostkoviana gehören zur Familie der Sommerwurzgewächse (Orobrancheae). Beide Arten kommen auf Wiesen und Weiden, gerne in höherer Lage vor. Ihre Standorte sind eher nährstoffarm und mager. Werden die Wiesen und Weiden gedüngt, so verschwindet der Augentrost rasch aus ihnen. Beide Arten werden zwischen 5 bis 30 cm hoch, Euphrasia stricta kann etwas grösser werden. Obwohl die Pflanzen eher klein bleiben sind sie gut sicht- und wahrnehmbar. Ihre Stängel stehen straff aufrecht und sind mit langen und aufrechten Ästen verzweigt. Euphrasia stricta ist kurz behaart aber meist ohne Drüsenhaare, Euphrasia rostkoviana hingegen ist mit Drüsenhaaren besetzt. Die Blätter sind eiförmig. Beide Arten blühen im Sommer und Herbst. Interessant bei Euphrasia ist, dass Blühphase und vegetative Wachstumsphase sich nicht gegenseitig hemmen, wie bei den meisten Pflanzen: Euphrasia blüht immer weiter, während sie wächst. Die entstehenden Blüten sind relativ gross, weiss und zeigen eine zusätzliche Färbung auf der Oberlippe (violett) und Unterlippe (gelb). Bei den beiden Arten handelt es sich um sogenannte «Halbschmarotzer» die einen Anschluss an die Wurzeln von Wiesenpflanzen brauchen. Mit Saugwurzeln entnehmen die Euphrasia-Pflanzen den Wiesenpflanzen dann Wasser und Nährstoffe, wodurch sie selbst ihre Umgebung formen: Die «angezapften» Pflanzen wachsen durch den «Diebstahl» weniger stark, bleiben also kleiner, und der Augentrost gewährleistet so seine eigene Sichtbarkeit.
Verwendung
Die Anwendungsgebiete von Augentrost, Euphrasia, stammen überwiegend aus dem Bereich der volksmedizinischen Heiltradition. Innerliche und äußerliche Anwendungsformen sind bei dieser Heilpflanze gleichermaßen gebräuchlich. Der für Arzneipflanzen eher außergewöhnliche Einsatz im Bereich der Augen, ist in der Phytotherapie, der Homöopathie und der anthroposophischen Medizin gleichermassen bekannt und geschätzt. Zu den Anwendungsgebieten gehören entzündliche und allergische Beschwerden, sowie Ermüdungserscheinungen im Bereich der Augen, wie Rötungen, Schwellungen, vermehrte Tränsenabsonderungen, Brennen, Fremdkörpergefühl und Lidödeme. Der Arzneimittelmarkt bietet eine Reihe verschiedener Euphrasia-Augentropfen an. Die lokale Anwendung des Krauts in Form von Umschlägen, Augenbädern und Spülungen ist jedoch aus hygienischen Gründen nicht empfohlen, da z.B. aus dem Kraut irritierende Partikel ins Auge gelangen könnten. Unter Einhaltung steriler Bedingungen sind Zubereitungen aus Euphrasia bei Konjunktivitis jedoch durchaus geeignet, wie in einer Studie bewiesen wurde.
Inhaltsstoffe
Der Augentrost, Euphrasia officinalis, enthält eine Reihe verschiedener Inhaltsstoffe: Iridoidglykoside, Flavonoide, Lignane, Phenylethanoide und Phenolcarbonsäuren. Der am intensivsten untersuchte Einzelstoff von Euphrasia officinalis ist das Aucubin aus der Gruppe der Iridoidglykoside.
Referenzen
- Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
- Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
- Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Euphrasia officinalis L . and Euphrasia rostkoviana Hayne , herba. EMA/HMPC/246799/2009 (2010).
- Wichtl, M. et al. Teedrogen und Phytopharmaka. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 1997).
- BGA/BfArM (Kommission E). Euphrasia officinalis (Augentrost). Bundesanzeiger 162, (1992).
- BGA/BfArM (Kommission D). Euphrasia officinalis (Euphrasia). Bundesanzeiger 217a, (1985).
- Stoss, M., Michels, C., Peter, E., Beutke, R. & Gorter, R. W. Prospective cohort trial of Euphrasia single-dose eye drops in conjunctivitis. J. Altern. Complement. Med. 6, 499–508 (2000).
- Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
- Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Psyche des Menschen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau und München, 2020).
Bilder: Roger Kalbermatten, Kesswil.