BÄRLAUCH

Allium ursinum L.

WESEN: Expansionskraft, Dynamik, Macht, Einfachheit

Wesen und Signatur

 Signatur

«Der Bärlauch ist ein einfacher Geselle. Man kann die Pflanze lange betrachten und nach irgendwelchen Besonderheiten in der Signatur suchen, man wird vorerst wohl kaum fündig. Die Pflanze hat einfache, lanzettliche Blätter, etwa 12 bis 20 cm lang und 3 bis 5 cm breit. Von oben betrachtet sind die Blätter sattgrün, von unten hellgrün. Die 4 bis 20 Blüten pro Pflanze sind zu einem doldenartigen Blütenstand zusammengefasst und sehen aus wie helle weisse Sterne mit sechs Zacken. 

Beeindruckend am Bärlauch ist seine dichte und grossflächige Ausbreitung. Die Massenbestände bedecken im Frühling oft gewaltige Flächen von Laubwaldböden beinahe lückenlos und verbreiten einen intensiv durchdringenden, knoblauchartigen Geruch. Sein Geschmack ist sehr würzig, und die jungen Blätter ergeben eine beliebte Zugabe für Frühlingssalate. Wo der Bärlauch Fuss gefasst hat, bleibt für andere Frühlingspflanzen kaum mehr Raum. Kein anderes Kraut unserer Wälder hat eine dermassen flächendeckende vegetative Ausbreitungskraft, und kein anderer Duft ist dermassen dominierend wie der Bärlauchduft. Der Bärlauch hat also ein Erfolgsrezept. Worin besteht dies? Man könnte biochemische Erklärungen heranziehen wie diejenige, dass er bestimmte Substanzen ausscheidet, die das Wachstum anderer Pflanzen hemmen. Doch solche Antworten betreffen nur die Aussenseite der Dinge und werden dem Wesen nicht gerecht. 

Immer wieder habe ich beobachtet, wie um Burgen und Ruinen der Bärlauch besonders prächtig gedeiht. Schon bevor ich es begründen konnte, spürte ich, dass das Wesen des Bärlauchs und das, was die Burgen einst verkörperten, etwas Gemeinsames haben. Worin mag die grosse Expansionskraft wohl begründet sein? Tauchen wir noch tiefer in die Signatur der Pflanze ein und betrachten wir ganz genau die Stelle nahe am Boden, wo die Blattstiele angewachsen sind. Wir bemerken, dass etwas mit der Pflanzengeometrie nicht ganz stimmt. Was uns als Blattoberseite erscheint, ist in Wirklichkeit die Unterseite. Der Bärlauch hat die Blattseiten verkehrt. Das kommt so: Die jungen Blätter streben steil nach oben. Ab einer gewissen Grösse kommt das schwerer werdende Blatt in eine überhängende Lage und wölbt sich nach hinten, so dass nun die Unterseite zur Aussenseite des Blattgewölbes wird. Im Bärlauch finden wir also eine Umkehr von Verhältnissen, es werden nicht die richtigen Seiten beachtet. Der Bärlauch breitet sich aus, indem seine Blätter in Wirklichkeit rückwärts gerichtet sind. 

Wir fragten nach dem Erfolgsrezept, nun sind wir in der Lage, darauf eine Antwort zu geben. Beobachten wir Menschen, die zu grosser Macht gelangen, werden wir bei vielen feststellen, dass sie ihr Umfeld selektiv wahrnehmen. Sie schöpfen ihre Energie aus Vereinfachungen, indem sie gewisse Aspekte der Realität ausblenden. Das Gegenbeispiel dazu ist ein echter Philosoph, der nach der Wahrheit sucht. Sein Weltbild ist differenziert. Doch daraus würde er niemals die Kraft schöpfen können (abgesehen davon, dass er es gar nicht wollte), um zu Macht zu gelangen. Macht im äusserlichen Sinne (es gibt auch geistige Macht, die nichts damit zu tun hat) kann nur derjenige erlangen, der es mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt, die Tatsachen (unbewusst oder bewusst) vereinfacht und damit oft umdeutet. Die ganze Energie wird zur Ausbreitung aufgewendet und nicht zur differenzierten Betrachtung der Realität. Es werden wechselnde Bündnisse geschlossen, je nach dem augenblicklichen Nutzen, ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit und die Interessen anderer. Dass viele, die im Weg stehen, verdrängt und ungerecht behandelt werden, kümmert den Eroberer wenig, denn seine Expansionskraft und seine Erfolge geben ihm Recht und lassen ihn glauben, dass sie der Lohn für gerechte Taten seien. Obwohl vorwärts schreitend, ist seine Ausrichtung rückwärts gerichtet. An seinem breiten Rücken prallt alles ab. Und so fehlt ihm die Wahrnehmung für die Opfer, die er auf seinem Feldzug überrennt. 

Trotzdem hat diese Wesensart auch positive Auswirkungen, denn sie ist ein Teilaspekt des praktischen Lebens, ohne den wir nicht auskommen. Die Vereinfachung und selektive Wahrnehmung ist in vielen Situationen angebracht. Wer immer nur eine absolut philosophische, differenzierte Betrachtungsweise anwendet, kommt bei vielen Aufgaben des praktischen Lebens nicht vom Fleck, weil alles ein Dafür und Dawider hat. Deshalb kann uns die Wesensart des Bärlauchs hilfreich sein, ohne dass wir darum befürchten müssen, zum Machtmenschen zu werden.»

Wesen

«Wenn der Bärlauch sich mit seinem intensiven Geruch im Frühling in den Wäldern ausbreitet, setzt er durch seine kraftvolle Gegenwart Siegeskräfte frei. Der Bärlauch ist ein äußerst machtvoller, durchdringender Frühlingsbote. Er besitzt eine ungeteilte Expansionskraft. Das Wesen dieser Pflanze symbolisiert einen Menschen, dessen Lebenskraft ganz in den Dienst der Ausbreitung und Machtentfaltung gestellt ist. Das Denken ist klar und einfach und primär auf das einmal gesetzte Ziel gerichtet. Was zur Erreichung dieses Ziels nützlich und praktisch ist, wird auch als richtig und wahr betrachtet. Obwohl der Wahrheit dabei manchmal Gewalt angetan wird und man einer komplexen Situation oft nicht gerecht wird, hat dies den Vorteil, dass die ganze Lebenskraft in eine fruchtbare Tatkraft umgesetzt werden kann und nicht durch ein zu stark differenzierendes Denken geschwächt wird. Das strukturierende Denken wird also der Lebenskraft untergeordnet. Es beschäftigt sich nicht mit der Frage nach dem, was an sich richtig ist, sondern mit dem, was nützlich und vorteilhaft ist. 

Aus dieser Wesenskraft ergibt sich die große Heilkraft dieser Frühlingspflanze. Häufig dominieren beim modernen Menschen die strukturierenden Kräfte, und es kommt in der Folge davon zu sklerotischen Tendenzen im Gefäßsystem, zu Verhärtungen und Erstarrung von Gewebe und Gelenken. Der Bärlauch löst diese Tendenzen mit seiner durchdringenden Frühlingslebenskraft. Er versorgt die Blutzirkulation mit neuer Energie, regt die Willenskraft und den Tatendrang an. Bärlauch überwindet die durch Winter und Kälte symbolisierten Stauungs- und Verhärtungstendenzen in Körper und Seele.»

Botanik

Wer kennt ihn nicht, den Bärlauch (Allium ursinum L.), der zu den Liliengewächsen (Liliaceae) gehört? Er ist in Mitteleuropa heimisch und wächst gerne auf nährstoffreichen und mässig feuchten Böden in Laubwäldern. Dort tritt er flächendeckend und in großen Gruppen auf. Im Frühjahr treibt er aus einer Zwiebel seine 2 bis 3 elliptisch-lanzettlichen Laubblätter aus. Diese werden bis zu 20 cm lang. Die Blätter riechen stark und intensiv nach Knoblauch, so kann man einen Bärlauch-Bestand im Wald bereits aus der Ferne riechen. Bei seinen Blättern zeigt uns der Bärlauch etwas Besonderes: Das, was wir als Blattoberseite sehen, ist in Wahrheit die Blattunterseite und umgekehrt. Die Blätter des Bärlauches sind also gewendet! Ende April bis Mai schiebt sich dann ein unbeblätterter Stängel aus der Zwiebel, an dessen Spitze die weissen, sternförmigen Blüten erscheinen. Nach der Blühphase sterben die oberirdischen Teile der Pflanze rasch ab und treiben erst im nächsten Frühjahr aus der Zwiebel wieder aus. 

Verwendung

Bärlauch, ist wahrscheinlich bereits seit Jahrtausenden als Lebensmittel und Medizin bekannt. Hinweise über die Verwendung des Bärlauchs findet man aus der Steinzeit, bei den alten Römern, beim griechischen Arzt Dioscorides, im Mittelalter und weiteren bekannten Kräuterkundigen wie Lonicerus. Seit langer Zeit wird der Bärlauch als magen- und blutreinigendes Mittel geschätzt. Ein typisches Anwendungsgebiet des Bärlauchs sowohl in der Homöopathie als auch in der Pflanzenheilkunde ist die Verdauungsschwäche. Des Weiteren findet der Bärlauch Gebrauch bei Erkrankungen der Atemwege und wird auch äußerlich unterstützend zur Wundheilung und Hautleiden eingesetzt. Die Verwendung des Bärlauchs in der Küche als Pesto und insbesondere als Frischpflanzensaft für Frühjahrskuren hat sich in der alpenländischen Volksmedizin bis heute durchgehend erhalten. Auch als Nahrungsergänzungsmittel ist der Bärlauch in heutiger Zeit erhältlich. Aus Sicht des Schweizer Kräuterpfarrers Johann Künzle ist der Bärlauch eine «der stärksten Medizinen». Lonicerus schreibt dem Bärlauch die gleichen Eigenschaften und Wirkungen wie dem Knoblauch zu, stufte den Bärlauch jedoch übergeordnet ein. Diese Sichtweise wird bis in die heutige Zeit hinein vertreten. Heute haben sich hauptsächlich zwei Anwendungsgebiete durchgesetzt. Zum einen dient Bärlauch als wertvolles Blutreinigungsmittel, was auch die begleitende Anwendung von Allium ursinum L. zur Vorbeugung von kardiovaskulären Erkrankungen und damit in Verbindung stehenden Beschwerden erklärt. Zum anderen wird Bärlauch als Reinigungsmittel für Magen und Darm genutzt. 

Inhaltsstoffe

Bärlauch ist im Geruch dem Knoblauch sehr ähnlich. Hauptverantwortlich dafür sind die schwefelhaltigen Stoffe (z.B. Vinylsuflid). Des Weiteren findet man typischerweise phenolische Stoffe und Steroidglycoside.

Referenzen

  • Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
  • Sobolewska, D., Podolak, I. & Makowska-Wąs, J. Allium ursinum: botanical, phytochemical and pharmacological overview. Phytochem. Rev. 14, 81–97 (2015).
  • BGA/BfArM (Kommission D). Allium ursinum. Bundesanzeiger 22a, (1988).
  • Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
  • Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).

Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil.

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