BIRKE

Betula pendula

WESEN: Qualität, Ästhetik, Polarität von Leben und Tod

Wesen und Signatur

 Signatur

«Welches Kind kennt sie nicht, die Birke, den einzigen Baum mit weisser Rinde? Weiss ist die Farbe der Reinheit, der Unberührtheit, des Brautkleids. Es ist die Farbe der Verheissung, denn das weisse Licht kann sich teilen in die fundamentalen Farben des Regenbogens. Weiss ist keine seltene Farbe im Pflanzenreich, es gibt zahlreiche schöne weisse Blüten. Der Begriff blütenweiss gilt als Synonym für höchste Reinheit. In der weissen Blüte begegnet uns ein Bild verheissungsvollen jungen Lebens. Ansonsten finden wir die weisse Farbe vor allem in der unbelebten Natur, wie zum Beispiel im Schnee. Der Anblick einer frisch verschneiten Landschaft berührt uns feierlich. Wir spüren die Reinheit, Frische und Erneuerung, die von der sanften, im Sonnenschein glitzernden Schneedecke ausgehen. Doch es wäre ein voreiliger Schluss, das Wesen der Birke – wegen ihrer weissen Rinde – mit Reinheit zu bezeichnen. Bevor wir die Bedeutung der weissen Birkenrinde deuten können, müssen wir das Wesen der üblicherweise braunen Rinde verstehen. Wenn wir einen Apfel aufschneiden und an der Luft stehen lassen, verfärbt er sich braun; die lebensabbauenden Oxidationsprozesse ergreifen die verletzten Zellen an der Schnittstelle des Apfels. Braun begleitet im Pflanzenreich immer den Abbau. Die Rinde ist braun wie die Erde, der Humus und besteht aus abgebautem Pflanzenmaterial, das nicht mehr von den Lebenssäften durchströmt wird. Die Rinde hat also eine wesenhafte Verwandtschaft mit der Erde. Beide befinden sich auf dem Weg von lebendiger Substanz zu mineralischer Substanz. Heisst dies nun, dass die weisse Birkenrinde noch blütenhaft und nicht erdhaft abgebaut ist? Nein, im Gegenteil. Denn schreitet der Abbauprozess weiter, entsteht als letzte Stufe das Mineral, die reine weisse Asche. In der Birke sehen wir einen Baum, dessen Rinde die vollständige Auflösung des Lebendigen symbolisiert, den Tod. Damit kommen wir zu der anderen Bedeutung von Weiss, wie sie vor allem in östlichen Kulturen erkannt wird, als Farbe der Trauer und des Todes. Jetzt erst haben wir ein vollständiges Bild dieser Farbe, denn in ihr liegt die Polarität des Anfangs und des Endes des Lebenskreises, der Verheissung des Lebens und des Todes. Scheinbar ferne Gegensätze liegen in Wirklichkeit nahe beieinander, denn sie werden durch die immerwährende Bewegung des Lebens zum Kreis geschlossen. Zwischen diesen Polen – beide symbolisiert durch Weiss – spannt sich die Lebenskraft, die uns bewegt. Das Wesen der lebendig kreisenden Bewegung ist es also, was uns in der Birkenrinde symbolhaft begegnet. Leben heisst Bewegung, Veränderung, Flexibilität. Die Birke ist ein äusserst beweglicher Baum. Besonders bei der Hängebirke – welche die arzneilich verwendeten Blätter liefert – sehen wir eine tänzerische Anmut der Bewegung, wenn der Wind durch ihre Zweige fährt. Die Zweige sind fein und elastisch, deshalb bedient man sich ihrer auch zur Herstellung von Reisbesen und Ruten. Im Frühling sind die Birken reich durchströmt von einem Überfluss an lebenserweckendem Saft, der oft zur Entschlackungskur getrunken wird. (Das zu diesem Zweck erforderliche Anzapfen der Birken sollte nur von Fachleuten vorgenommen werden, um den Baum nicht zu schädigen.) Die Birkenblätter verbreiten einen besonders lieblichen, süsslichen Duft, der unsere Seele mit Verjüngungskräften durchströmt.»

Wesen

«Die Birke vereint in sich die Gegensätze von Leben und Tod. Sie trägt Zeichen jung strömenden Lebens ebenso wie solche des Abbaus und der Mineralisierung. Wie ist es der Birke möglich, eine solch große Spannweite zu umfassen? Sie wurde in den Mythen oft als anmutig tanzende Jungfrau mit goldenem Haar dargestellt (Betula bedeutet hebräisch junges Mädchen). In der geschmeidigen Bewegung der Zweige im Wind, im goldgelben Frühlings- und Herbstkleid und in der reinweißen Rinde können wir diesen Vergleich nachempfinden. Tanz ist Rhythmus, Schwingung, Vibration. Anmutiger Tanz, ästhetische Gestalt, Ausstrahlung ist ein Bildnis von reiner Qualität, von Seelenkraft, die alle Gegensätze vereint. Es ist das seelische Prinzip, welches das Geistige mit der Materie verbindet, das Tote zum Leben erweckt und zwischen den größten Polaritäten vermittelt. Das Wesen der Birke ist Qualität. Unter dem Einfluss dieses Baumes empfindet die Seele Farben leuchtender, Töne klangvoller, Düfte aromatischer. In seinem Wirkungsbereich erscheinen Gestalten lebendiger, unsere Sinne werden befähigt, Ästhetik und Harmonie zu erschauen. Birkenblättertinktur ist das angezeigte Mittel, wenn die Welt als matt und grau empfunden wird, wenn man von Kräften der Erstarrung und Kälte zu sehr umklammert wird. Lässt der jugendliche Schwung in den Gedanken und Gefühlen nach, geht die Freude an der körperlichen Bewegung verloren, dient die Birke als reich fließender Quell neuer Kräfte. Die Birke erreicht aber auch den gegensätzlichen Menschentyp, der zu leichtfüßig, zu tänzerisch durchs Leben geht. Den Menschen, dem das Leben eine Bühne zur Selbstdarstellung ist, der tiefe Bindungen scheut, der wie ein Schmetterling nach der Süße des Lebens hascht und dessen herbe Seiten verdrängt. Durch sein unverbindliches Verhalten hat er keinen tiefen Anteil am gemeinschaftlichen Band der Freundschaft und des Interesses, das die Menschen verbindet. Verbindung und Freundschaft wird im Organsystem von den Nieren repräsentiert. In der Aktivierung der Nierentätigkeit durch Betula erhalten solche Menschen die Möglichkeit, sich tiefer mit dem Leben und den Menschen zu verbinden.»

Botanik

Die Hängebirke (Betula pendula Roth) (Familie: Betulaceae Birkengewächse) ist ein Baum, der bis zu 30 m hoch werden kann. Birken sind sehr raschwüchsig und stellen oft die ersten Bäume die einen Landstrich besiedeln. So hat die Birke als einer der ersten Bäume nach den Eiszeiten Mitteleuropa wieder besiedelt. Heute kommt sie bevorzugt an Ufern von Gewässern, in Mooren und als Bestandteil von feuchten Wäldern vor. Ihr Stamm wird im Frühjahr intensiv von Säften durchströmt. Die Rinde junger Bäume ist schneeweiß und schält sich in horizontalen Streifen ab. Bei den älteren Bäumen weist vor allem der untere Stammteil eine rissige und wulstige Rinde auf, weiter oben ist sie hingegen glatt und weiß oder gelblichweiß. Die Äste der Birke stehen spitz winklig ab und sind stark überhängend. Die jüngsten Triebe weisen oft zahlreiche Harzdrüsen auf. Ihre Blätter sind im Umriss 3-eckig mit lang ausgezogener Spitze. Anfangs sind die Blätter sehr weich, dicht drüsig punktiert und klebrig. Hängebirken blühen in den Monaten April bis Mai mit kätzchenartigen Blütenständen, jedes Kätzchen kann mehrere Millionen Pollenkörner produzieren, die sehr weit verbreitet werden können. Eine Altbirke produziert auch mehrere Millionen Samen, die aber nur sehr kurzlebig sind. Die Birke vereint so überquellendes Leben und den Tod.

Verwendung

Die Blätter der Birke werden in der Pharmazie frisch oder getrocknet in Form von Kräutertees, pulverisiert oder zur Herstellung von Trocken- oder Fluidextrakten verwendet. Der Schwerpunkt der Wirkung der Birkenblätter liegt vorrangig auf einer Steigerung der Diurese bzw. Aquarese. Deshalb eignen sie sich auch für die Durchspülungstherapie bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege. Die Steigerung der Nierenleistung in Kombination mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr kann auch dabei helfen, die Bildung von Nierengriess zu vermeiden. In der naturheilkundlichen Fachliteratur werden Arzneizubereitungen aus Hängebirke „Folia Betulae“ auch zur begleitenden Behandlung von rheumatischen Beschwerden und Hauterkrankungen empfohlen. Dies verwundert nicht, da gerade eine Ausscheidungsschwäche der Niere bei den vorgenannten Krankheitsbildern vielfach eine Mitursache darstellt. 

Inhaltsstoffe

Typische Inhaltsstoffe von Betula pendula Roth sind Flavonoide, wie Hyperosid oder Glykoside des Quercetins. Darüber hinaus sind Triterpenester, Phenolcarbonsäure und Ascorbinsäure enthalten. Auch Mineralien sind nachweisbar, darunter vor allem Kaliumtartrat. In den Birkenblättern finden sich auch kleine Mengen ätherischen Öls.

Referenzen

  • Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
  • Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
  • Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). European Union herbal monograph on Betula pendula Roth and/or Betula pubescens Ehrh. as well as hybrids of both species, folium. EMA/HMPC/5, (2014).
  • BGA/BfArM (Kommission E). Betulae folium ( Birkenblätter ). Bundesanzeiger 50, (1986).
  • Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
  • Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).

Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil

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