MARIENDISTEL

Silybum marianum (L.) GAERTN. 

WESEN: Abgrenzung, Schutz, Individualität

Wesen und Signatur

Signatur

«Die Mariendistel bevorzugt warme, trockene Standorte; sie stammt aus dem Mittelmeergebiet, wo sie weit verbreitet ist. In Mitteleuropa wird sie gelegentlich angebaut. Die Mariendistel ist eine starke Pflanzenpersönlichkeit. Mit ihrer stattlichen Größe und den äußerst wehrhaften Stacheln verschafft sie sich Respekt und hält Mensch und Tier in sicherem Abstand. Mit ihren charakteristischen zweifarbigen, zähen Blättern trägt sie den Stempel betonter Individualität: Sie kann nicht übersehen oder verwechselt werden. Wer einmal eine Mariendistel gesehen hat, vergisst sie nicht wieder. Die Signatur der Mariendistel bringt das Wesen von Schutz, Abgrenzung und Individualität deutlich sichtbar zum Ausdruck. Wie viele andere Distelarten ist sie an den Blütenkörben und den Blättern mit Stachelspitzen bewehrt. Die Abwehrfunktion ist so vollendet wie bei kaum einer anderen Distel. Schon bei einer leichten Berührung dringen die Stacheln in die Haut. Sie sind so scharf, hart und lang, dass man sich der Pflanze nur mit äußerster Vorsicht nähern kann. Bei der Ernte der reifen Blütenköpfchen bekommt man diese Wehrhaftigkeit trotz Schutzkleidung oft schmerzhaft zu spüren. Die Blätter sind sehr fest, glänzend und wirken dauerhaft wie die Blätter oder Nadeln winterharter Gewächse. Die charakteristische Färbung der Blätter ist das sicherste Erkennungszeichen der Mariendistel. Das satte Grün wird entlang der Blattnerven von einem Netzwerk breiter, weißer Streifen überzogen, die die Blattnerven markieren. So liegt das eigentliche Blattgrün wie Inseln verteilt in diesem weißen Bändernetz. Man erkennt also in den Blättern farblich klar voneinander abgegrenzte Zonen. Der Blattrand ist nach innen gebuchtet und weit über die Blattebene hinaus aufgeworfen, so dass der Blattumfang, die Blattgrenze deutlich vergrößert und betont wird. Eine sanftere Form der Abwehr und des Schutzes finden wir im Inneren der Blütenköpfchen. Die purpurnen, leicht klebrigen Röhrenblüten machen nach dem Verblühen eine überraschende Veränderung durch. Die Farbe wandelt sich von Purpur über Blau zu Grau. Gleichzeitig legen sich die kleinen, röhrenförmigen Blütenblätter – ausgehend von der Mitte der Köpfchen – radial nach außen um und verkleben miteinander. Auf diese Weise bilden sie als Schutz für die reifenden Früchte ein regendichtes Dach, das wie ein perfektes, kegelförmiges Strohdach aussieht.»

Wesen

«Die Mariendistel fördert die Fähigkeit, sich gegenüber emotionaler und physischer Ausbeutung, gegen über Angriffen und Manipulationen angemessen zu behaupten. Sie unterstützt die Wahrung der eigenen Persönlichkeit, indem sie die aktive Abgrenzung gegenüber schädigenden psychischen Einflüssen stärkt. Zu beachten ist, dass sich eine psychische Abwehrschwäche auf gegensätzliche Arten äußern kann, entweder in der Unfähigkeit zur Abgrenzung und zum Neinsagen oder aber in einer übersteigerten, aggressiven Abgrenzung. Eine solche Schwäche kann zu einer Störung der Entgiftungs- und Ausscheidungsfunktionen der Leber führen und damit Ursache von chronischen Krankheiten sein.»

Botanik

Die Mariendistel, mit botanischem Namen Silybum marianum (L.) GAERTN., gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae). Es handelt sich bei ihr um eine einjährige, selten zweijährige Pflanze die eine imposante Pflanzengestalt von bis zu 2.50 m Grösse entwickeln kann. Sie bildet nach der Keimung zunächst eine Pfahlwurzel und eine dem Boden aufliegende Rosette aus. Aus dieser Rosette entsteht dann ein kräftiger aufrechter Stängel, der sich etwa ab der Mitte verzweigt. Am Stängel stehen die länglich-elliptischen, buchtig fiederteiligen Blätter. Alle Blätter der Pflanze weisen mehrere Besonderheiten auf: Zunächst sind sie nicht rein grün, wie man es von pflanzlichen Blättern sonst kennt, sie weisen Bereiche auf, in denen das Chlorophyll fehlt und die dadurch weiss «gefärbt» sind. Ausserdem sind die Blätter nicht flach, wie es typisch wäre, sie sind stattdessen dreidimensional aufgewölbt und zeigen dadurch einen welligen Blattrand. Vor allem der Blattrand ist mit gelblichen Stacheln bewehrt, die sehr lang und spitz sind. Eine unachtsame Begegnung mit der Mariendistel vergisst man nicht so schnell! An den Spitzen der Stängel sitzen die purpurfarbenen, 4 bis 6 cm grossen, eiförmigen Blütenköpfe, die nur aus Röhrenblüten zusammengesetzt sind. Auch die Blütenstände, welche von Juli bis August blühen, sind mit den scharfen Stacheln bewehrt. Nach dem Verblühen, wenn die Samen der Pflanze mit der Ausreifung beginnen, klappen die Röhrenblüten um, verkleben und bilden ein Dach über den Samen, um diese vor Feuchtigkeit zu schützen.

Verwendung

Die Mariendistel ist als eines der Hauptmittel bei Erkrankungen der Leber und Gallenwege bekannt. Zu den typischen Anwendungsgebieten gehören dyspeptische Beschwerden und toxische Leberschäden. Leberbedingte Kopfschmerzen, Übelkeit, Verdauungsstörungen und Varizen zählen aus naturheilkundlicher Sicht zu den bewährten Anwendungsgebieten. Die Mariendistel wird auch homöopathisch bei Leber-Galle Erkrankungen eingesetzt. Darüber hinaus wird die Mariendistel gemäß homöopathischem Arzneibild bei Hämorrhoiden und Krampfaderleiden, sowie bei Rheumatismus der Schulter und der Hüfte angewendet. Pflanzenheilkundliche Zubereitungen aus Mariendistelfrüchten werden unterstützend bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen und Leberzirrhose eingesetzt. Silybum marianum (L.) GAERTN. gehört zu den besonders gut erforschten Heilpflanzen. Der schützende Effekt auf die Leberzellen wird durch folgende drei Eigenschaften erklärt: Stabilisierung der Leberzellmembran, Radikalfänger- und Antioxidansfunktion und Beschleunigung der Leberzellregeneration. So liegt in der Mariendistel das Potential einer Belastung mit leberschädigenden Substanzen entgegenzuwirken. Diese Eigenschaft macht man sich bei der Anwendung von Silibinin bei Knollenblätterpilzvergiftungen zu Nutze.

Inhaltsstoffe

Charakteristisch für die Mariendistel ist ihr Gehalt an Lignanen. Darunter ist Silymarin – ein Stoffgemisch aus Silibininisomeren und -derivaten – am bekanntesten und am besten erforscht. Weitere Flavonoide, wie Quercetin sind ebenfalls enthalten. Darüber hinaus sind die Samen bzw. Früchte der Mariendistel auch reich an fetten Ölen.

Referenzen

  • Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
  • Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Silybum marianum (L.) Gaertn., fructus. European Medicines Agency (2018).
  • BGA/BfArM (Kommission E). Cardui mariae fructus ( Mariendistelfrüchte ). Bundesanzeiger 50, (1986).
  • Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
  • Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). European Union herbal monograph on Silybum marianum (L.) Gaertn., fructus Final. (2018).
  • BGA/BfArM (Kommission D). Silybum marianum (Carduus marianus). Bundesanzeiger 129 a, (1985).
  • Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
  • Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).

Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil.

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