



ROSMARIN
Rosmarinus officinalis L.
WESEN: Feuer, Begeisterung
Wesen und Signatur
Signatur
«Unter Therapeuten kennt man die Aussage: «Was der Rosmarin für den Geist, ist der Lavendel für die Seele.» Es ist also bekannt, dass Rosmarin den Geist anregt. Im Zusammenhang mit Geist und Begeisterung sprechen wir auch von Feuer, vom «feu sacré». Nun wissen wir, dass nur derjenige klar denken kann, der einen kühlen Kopf bewahrt. Feuer ist aber heiss, und ein hitziger Kopf kann kaum geistreich sein. Gibt es hier keinen Widerspruch? Feuer ist nicht nur heiss, sondern es strahlt auch Licht aus, und sein Flammenspiel ist sehr beweglich. Das Feuer unserer Lebensspenderin, der Sonne, nährt mit seiner Hitze das Herz und den Blutkreislauf, mit seinem Licht und seiner Bewegungskraft den Kopf und die Gedanken und mit seiner ätherischen Energie das Sonnengeflecht und die Lebensprozesse. Von diesen feurigen Eigenschaften vermittelt der Rosmarin vor allem die Hitze und die Beweglichkeit. Wird das ätherische Rosmarinöl auf die Haut eingerieben, entwickelt sich eine intensive Erwärmung und Rötung, weil die Durchblutung angeregt wird. Innerlich eingenommen, entfaltet der Rosmarin eine sehr dynamische Feuerwirkung auf Herz und Kreislauf. Darin liegt die Heilkraft bei Kreislaufbeschwerden und rheumatischen Erkrankungen begründet. Das Beweglichkeitsprinzip der Flammen erkennen wir beim Rosmarin in der Gestalt der Blätter. Erinnern sie uns nicht an schmale Flammenzünglein? Da die länglichen, nadelförmigen Blätter eng am Trieb nach oben gerichtet sind, nehmen wir meist nur deren Unterseite wahr, die in der Mitte einen hellen Längsstreifen hat. Dieser entsteht dadurch, dass sich die grüne, kahle Blattoberseite nach der dicht weissfilzig behaarten Unterseite umrollt. So ist von der Unterseite nur noch ein schmaler heller Mittelstreifen sichtbar. Die Flämmchen mahnen aufgrund ihrer Farbe weniger an ein Licht erzeugendes Feuer als an Gasflämmchen. In der inneren Wahrnehmung erscheint uns der Rosmarin als ein Busch mit unzähligen auf und ab flackernden Flämmchen, die wie aus kleinen, aus dem Holz hervorgestossenen Gaseruptionen explosionsartig entstehen und wieder vergehen. So vermittelt uns die Intuition ein Bild für die enorme Beweglichkeit und Leichtigkeit des Feuers und damit eine Analogie für die Beweglichkeit und Leichtigkeit des Geistes, die Fähigkeit, im Geist zu entflammen, sich zu begeistern. Im Übrigen unterstreicht die reale Möglichkeit des Entflammens das intuitive Bild: Das ätherische Rosmarinöl hat die grösste Flüchtigkeit aller ätherischen Öle. An sehr heissen Tagen kann es (in den Hauptanbaugebieten der Mittelmeerländer) geschehen, dass über einem grossen Feld die Konzentration des Rosmarinöls so hoch ist, dass ein Funke Teile des Felds entzündet.»
Wesen
«Das Wesen des Rosmarins entzündet den Geist, begeistert. Wenn man sich für nichts mehr begeistern kann, wenn das »feu sacré« erloschen ist und Lethargie sich einschleicht, fehlt auch dem Blutkreislauf das dynamisierende Prinzip. Rosmarin feuert an, schenkt Energie, regt den Blutkreislauf an, durchwärmt das Blut und beugt Blutarmut vor. Zum Beispiel Menschen, die großen Einsatz und Engagement in sozialen Berufen zeigen, sind meist selbst sehr begeisterungsfähig und können Mitarbeiter und Kolleginnen mit ihrer Begeisterung anstecken, ein gutes Umfeld schaffen und hohe Ziele erreichen.
Oft aber denken gerade diese Menschen nicht daran, ihre eigenen «Batterien» wieder aufzuladen; die Umgebung stützt sich zu sehr auf sie und rechnet selbstverständlich mit ihrer uneingeschränkten Präsenz. Es kommt zum Burn-out-Syndrom. Derselbe Mensch, der früher mit viel Liebe zur Sache und sprühender Freude anderen dienstbar war, ist nun leer und ausgebrannt. Er kann sich für nichts mehr erwärmen, sich an nichts mehr freuen, ihm fehlt die Kraft dazu. Rosmarin regt den Blutkreislauf an und durchwärmt Körper und Seele mit seinem aromatischen, feurigen Wesen. Er stärkt Magen und Bauchspeicheldrüse und wirkt tonisierend. Wenn junge Frauen an Blutarmut leiden, ihre Gesichtsfarbe bleich ist und der Kreislauf schwach, hilft Rosmarin; er wirkt Blutarmut entgegen, stabilisiert den tiefen Blutdruck und verbessert den Kreislauf. Rosmarin besitzt die Kraft, den Menschen aufzurichten, vertreibt Lethargie und vermittelt wieder Freude am Leben.»
Botanik
Der Rosmarin, Rosmarinus officinalis L., ist ein aromatisch riechender, immergrüner Halbstrauch, der bis 200 cm hoch wird. Er gehört zur Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) und ist wie viele Arten der Familie durch ein starkes und typisches Aroma ausgezeichnet. Seinen Duft kann man als anregend und feurig beschreiben, dieser wird durch das leicht flüchtige ätherische Öl der Pflanze hervorgerufen. Heimisch ist der wärmeliebende Rosmarin im mediterranen Küstenbereich, er ist aber mittlerweile in ganz Mitteleuropa verbreitet und überwintert hier auch in geschützten Lagen. Die ganze Pflanze hat eine starke Tendenz zur Verholzung, sowohl in ihren Wurzeln als auch den oberirdischen Teilen. Nur die jungen Triebe des jeweiligen Jahres sind frisch, grün und unverholzt. An allen oberirdischen Teilen stehen die ganzrandigen und breit-nadelförmigen Laubblätter des Rosmarins. Sie sind in zahlreichen Quirlen angeordnet und sind unterseits dicht mit kleinen Haaren besetzt. Die Unterseite wirkt dadurch weisslich, was noch durch die umgefalteten grünen Blattränder betont wird. Sehr zeitig im Jahr, noch in der kühlen Phase des Frühjahrs, blüht die Pflanze bei uns und erfreut uns mit ihren schönen blassblauen Lippenblüten.
Verwendung
Der sonnenliebende Rosmarinstrauch wird im gesamten mediterranen Raum angebaut, um daraus mit Hilfe von Wasserdampfdestillation ätherisches Öl zu gewinnen. Dieses Öl findet Anwendung in der Parfümindustrie und auch in vielen medizinisch-kosmetischen Produkten wie Salben, Massageöle, Badezusätze und Seifen. Viele dieser Produkte zielen vor allem als hyperämisierende resp. wärmende Einreibung auf eine lokale Anregung der Hautdurchblutung, ab. Dieser Effekt eignet sich für die äusserliche Behandlung rheumatischer Erkrankungen und Kreislaufbeschwerden. Aufgrund der antioxidativen, konservierenden Eigenschaften sind Rosmarinblätter auch ein beliebter Zusatz in Lebensmitteln und dienen auch als beliebtes Küchengewürz. Arzneilich wird Rosmarin officinalis L. als Karminativum und Stomachikum bei Verdauungsstörungen eingesetzt, da es den Magen- und Darmtrakt tonisiert. Laut Madaus ist diese Heilpflanze auch ein gutes Tonikum bei Erschöpfungszuständen, Gedächtnisschwäche und Schwindel (z.B. bei niedrigem Blutdruck). Die Homöopathie wendet Rosmarin bei Regelstörungen an. Aufgrund der tonisierenden Wirkung von Rosmarin liegt der Anwendungsschwerpunkt aus naturheilkundlicher Sicht dabei vor allem im Bereich der Amenorrhoe und Oligomenorrhoe.
Inhaltsstoffe
Rosmarin officinalis L. enthält als Hauptwirkstoff ätherisches Öl, welches typischerweise α-Pinen, 1,8-Cineol, Campher, Borneol als Einzelstoffe enthält. Darüber hinaus ist die Rosmarinsäure oder „Labiatengerbstoff“ ein weiterer wichtiger Inhaltsstoff. Außerdem sind Diterpen-Bitterstoffe wie Carnosol, Rosmanol, Rosmadial enthalten.
Referenzen
- Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
- Wichtl, M. et al. Teedrogen und Phytopharmaka. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 1997).
- Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
- Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Community herbal monograph on Rosmarinus officinalis L ., folium. EMA/HMPC/13633/2009 (2010).
- BGA/BfArM (Kommission D). Rosmarinus officinalis. Bundesanzeiger 86, (1994).
- Hänsel, R., Keller, K., Rimpler, H. & Schneider, G. Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis Band 5 Drogen P-Z. (Springer Verlag Berlin Heidelberg, 1994).
- Kalbermatten, R. & Kalbermatten, H. Pflanzliche Urtinkturen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2014).
- Kalbermatten, R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen. (AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2016).
Bilder: Ceres Heilmittel AG, Kesswil.