Wermut

Artemisia absinthium L. 

WESEN: Anteilnahme, Präsenz, Wachheit, energetische Durchdringung der Stoffwechselfunktionen

Wesen und Signatur

 Signatur

 «Der Wermut gehört zur Familie der Korbblütler. Er gedeiht in den Tälern der Zentralalpen an sonnigen Lagen. Die stattliche, mehrjährige Pflanze wird teilweise über zwei Meter hoch. Die dreifach fiederteiligen Blätter sind beiderseitig graufilzig behaart und fühlen sich sehr weich an. Der ebenfalls filzig behaarte Stengel ist stark verzweigt und von Längsrillen durchzogen. Der Wermut lässt in seiner Gestalt kaum eine Gliederung erkennen, er schafft keine klaren Konturen und Grenzen. Er erscheint durchgängig von aussen nach innen, von oben nach unten; das Luftelement (Blattäusseres) geht sanft ins Wasserelement (Blattinneres) über. Korbblütler sind gekennzeichnet durch strahlende, meist relativ grosse Blütenköpfchen, die sich der Sonne zuwenden. Die Sonnenblume, der Löwenzahn, die Margerite sind typische Vertreter dieser artenreichen Pflanzenfamilie. Wenn wir mit diesem Wissen im Hintergrund die Blüten des Wermuts betrachten, befremden uns die kleinen Blüten, die alle nach unten, zur Erde hin gerichtet sind. Auch wenn der Wermut in voller Blüte steht, muss man genau hinsehen, um dies am Blütenpollen zu erkennen. Es gibt kein prachtvolles Öffnen der Blüten in bunten Farben und ausladender Geste; sie bleiben wie geschlossen, in sich selbst gekehrt, sie scheinen «drinnen» zu blühen. Die Wermutblüte strebt nicht nach dem Verströmen von Formen, Farben und Düften, es ist kein Austausch mit Licht und Luft, wie es dem Blütenwesen an sich eigen ist. Die Gestalt zeigt eine nach innen gerichtete Signatur an. Der Wermut vereinigt höchste Bitterkeit mit einem intensiven, durchdringenden Aroma. Wir wissen, dass uns Düfte und Aromen unmittelbar in eine bestimmte Gefühlsstimmung versetzen. Über Duftstoffe wird unsere Gemütsverfassung direkt, ohne Umweg über Gedanken beeinflusst und bewegt. Jedem Aroma entspricht somit eine bestimmte Qualität auf der Schwingungsskala emotionaler Energien. Bitterstoffe regen den Gallenfluss und die Magensaftproduktion an. Sie haben also einen Einfluss auf das vegetative Geschehen, ein Geschehen, dass sich unserer bewussten Kontrolle entzieht. Die Vereinigung dieser zwei herausragenden Eigenschaften (Aroma und Bitterkeit) ist selten. Die meisten bitteren Heilpflanzen haben ein wenig ausgeprägtes, eher flaches Aroma, so dass das Bittere uneingeschränkt dominiert. Beim Wermut hingegen finden wir beide Eigenschaften sehr stark ausgeprägt. Die verschiedenen Ebenen des Menschen durchdringen und fördern sich. So bildet die emotionale Energie, die Kraft unserer Gefühle und unseres Verlangens die wichtigste Quelle für die Vitalität des Stoffwechsels und deshalb für unsere Gesundheit. Die Lebensprozesse unserer Zellen werden aus dem emotionalen Energiepotenzial geleitet und genährt. Daher ist es verständlich, dass jede Krankheit eine seelische Ursache hat. Für einen vitalen Stoffwechsel ist es entscheidend, dass die emotionalen Energien sich in den Dienst der Lebensprozesse stellen. Oft kommt es jedoch vor, dass die Gefühle ein Eigenleben führen. Dies beobachten wir dann, wenn ein Mensch sich seinen Gefühlen und Verlangen so sehr hingibt, dass er im «Wohlgefühl» einen Selbstzweck sieht. Dann wird auch kaum mehr Interesse für die Welt und die anderen Menschen aufgebracht. Es fehlt dazu an Energie, weil die Gefühlsenergie nicht mehr in Lebensenergie umgewandelt wird. Die Gefühle (das Luftelement) werden abgeschlossen, in sich selbst gefangen gehalten und können die Lebensprozesse (das Wasserelement) nicht mehr durchdringen und anfachen.»

Wesen

«Die Bitterkeit und das Aroma von Wermut sind so ausgeprägt und durchdringend, dass diese Pflanze zum Symbol für die bitteren Aspekte des Lebens geworden ist. Niemand, der eine Zubereitung aus Wermut einnimmt, bleibt teilnahmslos; sie drängt zu Wachheit und Präsenz. Der bittere Geschmack und das herbe Aroma mit ihrem stark zusammenziehenden, nach innen gerichteten Charakter führen zu einer polar entgegengesetzten psychischen Reaktion. Wer im Einflussbereich des Wermutwesens steht, tritt nach außen und nimmt mit aktivem Interesse am Leben, am Mitmenschen und an der Welt teil. Wermut weckt das Interesse am Leben und an der Aktivität und fördert die Belebung der Stoffwechselfunktionen. Menschen, denen es an Interesse mangelt, die manch mal teilnahmslos sind, vermögen die Stoffwechselfunktionen energetisch zu wenig zu durchdringen und werden atonisch. Ihre Verdauungsorgane werden geschwächt, wodurch allgemeine Erschöpfungszustände bis hin zu Depressionen auftreten können. In solchen Situationen ist Wermut ein starkes Energetikum für Psyche und Körper. Durch die Erwärmung und Tonisierung des erschlafften Magens fördert er die Verdauungsfunktionen. Wer zu Tagträumen neigt, wird durch Wermut zurück in die Wirklichkeit geholt. Tagträume zeigen eine Fluchttendenz auf. Durch eine regelmäßige Einnahme von Absinthium wird es möglich, die Lebensaufgabe mit Willenskraft zu durchdringen und den Lebensfaden fest in die Hand zu nehmen.»

Botanik

Der Wermut, Artemisia absinthium L., gehört zur Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae). Er ist eine bis zu 2 m gross werdende, ausdauernde Pflanze, die bevorzugt an warmen und trockenen Standorten anzutreffen ist. Seine Stängel und Blätter sind mit graufilzigen Haaren bedeckt. Je weiter man mit dem Blick an seinen aufrechten und holzigen Stängeln nach oben wandert, desto stärker geteilt sind die Blätter, bis im Blütenstand nur schmale und lanzettliche Blättchen verbleiben. Der Wermut blüht im Hochsommer, von Juli bis September, mit kleinen unscheinbaren, gelben Blüten, die dem Erdboden zugewandt sind. Im Gegensatz zu anderen Arten der Korbblütler, ist der Wermut windbestäubt; die meisten anderen Korbblütler hingegen locken mit ihren prächtigen und grossen Blüten Tiere an. Insgesamt wirkt die gesamte Pflanze, trotz ihrer Grösse, fast unscheinbar, bis man ihr Aroma kostet….

Verwendung

Als eine der großen Heilpflanzen blickt Artemisia absinthium L. auf eine jahrhundertelange Tradition zurück. Allein der Tabernaemontanus widmet der Anwendung von Wermut über dreizehn Seiten und die heilige Hildegard von Bingen beschreibt Wermut schon als geeignetes Mittel bei Magenschwäche. Der Gehalt an Bitterstoffen und ätherischem Öl macht Artemisia absinthium L. zu einem klassischen Bittermittel oder Amarum aromaticum, welches reflektorisch Magensaft- und Gallensekretion und somit die Verdauung anregt. Daraus leiten sich die arzneilichen Anwendungsmöglichkeiten von Wermut ab: Wermut wird vorwiegend bei dyspeptischen Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Völlegefühl und Blähungen, sowie bei Fehlfunktion der Gallenwege eingesetzt. Des Weiteren wird der Wermut bei Parasitenbefall angewendet und es heisst, Wermut «hebt… die Energie und schafft Lebensfreude und Arbeitslust». 

Inhaltsstoffe

Bei Artemisia absinthium L. handelt es sich aufgrund der Inhaltsstoffe um ein «Amarum aromaticum» mit durchdringend aromatischem Geruch und intensiv bitterem Geschmack. Der Wermut enthält folglich eine Kombination aus Bitterstoffen und ätherischem Öl. Zu den bitteren Hauptwirkstoffen zählen die Sesquiterpenlactone, vor allem Absinthin und Artabsin. Der aromatische Geruch und Geschmack stammen vom ätherischen Öl, das größere Mengen an β-Thujon enthält. Weitere Begleitinhaltsstoffe sind Flavonoidglykoside wie Artemisitin.

Referenzen

  • BGA/BfArM (Kommission D). Artemisia absinthium (Wormwood). Bundesanzeiger 142/161, (1994).
  • BGA/BfArM (Kommission E). Absinthii herba (Wermutkraut). Bundesanzeiger 228, (1984). 
  • Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Artemisia absinthium L., herba. (2017).
  • Hänsel, R. & Steinegger, E. Hänsel / Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft GmbH, Stuttgart, Deutschland, 2015).
  • Madaus, G. MADAUS LEHRBUCH DER BIOLOGISCHEN HEILMITTEL BAND 1-11. (mediamed Verlag, Ravensburg, 1990).
  • Kalbermatten R, Kalbermatten H. Pflanzliche Urtinkturen. 7th ed. AT Verlag, Aarau, Schweiz; 2014.
  • Kalbermatten R. Wesen Und Signatur Der Heilpflanzen. 9th ed. AT Verlag, Aarau, Schweiz; 2016.

Bilder: Roger Kalbermatten, Kesswil.

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